Fluoreszenzgestützte Chirurgie (FGS) ist ein photodynamischer chirurgischer Ansatz, der während der Operation das Prinzip der Fluoreszenz nutzt. Bei der FGS werden unterschiedliche Arten von Photosensibilisatoren eingesetzt, um abnorme Zellen oder erkranktes Gewebe zu beleuchten oder „aufleuchten“ zu lassen. Ein großer Vorteil dieses Ansatzes ist, dass er es dem Chirurgen ermöglicht, in Echtzeit das Operationsfeld zu sehen, das heißt, welches Gewebe tatsächlich operativ entfernt werden muss. Im Vergleich mit anderen medizinischen bildgebenden Verfahren ist die FGS kostengünstiger und hinsichtlich der Auflösung und des Umfangs an erkranktem Gewebe, das erkannt werden kann, überlegen. Die FGS wird heute zunehmend als ein effektiverer Weg für die Durchführung einer Krebsoperation angesehen. Die Logik dieses Ansatzes ist offensichtlich. Nehmen wir das Beispiel von Bauchspeicheldrüsenkrebs, einer der tödlichsten Krebserkrankungen – derzeit überleben sie nur 5 % der Patienten länger als fünf Jahre. Es ist bekannt, dass die vollständige Entfernung (Resektion) des Tumors das Gesamtüberleben von Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs verbessert. Allerdings führt das Entfernen des Primärtumors in den meisten Fällen zu einem Metastasen-Rezidiv. Die übliche Erklärung für diesen Behandlungsfehlschlag lautet, dass der Chirurg nicht alles Krebsgewebe entfernen konnte, weil er während der Operation nicht alles erkrankte Gewebe sehen konnte. Tumoren im Rahmen einer FGS zum Fluoreszieren zu bringen bietet den großen Vorteil, dass das Tumorgewebe während der Operation sichtbar ist und somit eine komplette Tumorentfernung oder das, was Chirurgen gerne eine „kurative Resektion“ nennen, erreicht werden kann. In Europa hat die FGS die chirurgische Behandlung aller Arten von bösartigen Erkrankungen revolutioniert, weil Chirurgen kleinere Tumoren, die sonst übersehen werden könnten, besser erkennen und entfernen können. Bei der FGS können Chirurgen z. B. Cluster von Krebszellen bis hin zu einem Zehntel Millimeter Größe erkennen – im Gegensatz zu der durchschnittlichen Cluster-Mindestgröße von 3 mm bei den Standardmethoden der visuellen und taktilen Erkennung.

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Herausforderungen und Schlüssel zum Erfolg

Eine der Beschränkungen der FGS ist jedoch, dass die Fluoreszenz nur so gut ist wie der Zutritt und die Eindringtiefe des Lichts. Für eine bessere Ausleuchtung in verschiedenen Teilen des Körpers werden bei der FGS minimal-invasive Geräte wie Laparoskope oder Endoskope verwendet. Dabei wird ein System von Filtern, Linsen und Kameras am Ende der Sonde angebracht. Grundsätzlich ist die Licht-Eindringtiefe im Wellenlängenbereich des sichtbaren Lichts ziemlich flach, jedoch können bei Anregungswellenlängen im nahen Infrarotlichtbereich bis zu 1-2 cm erreicht werden. Ein Schlüssel zum Erfolg der FGS ist die Verfügbarkeit von klinisch zugelassenen Fluoreszenzfarbstoffen. In Europa ist die 5-Aminolävulinsäure (5-ALA) eine natürliche Verbindung, die drei Stunden vor der Operation oral eingenommen wird. Im Falle von Hirntumoren (Gliomen) beispielsweise wird die 5-ALA selektiv von Gliomzellen aufgenommen und führt unter blauem Licht zu einer rötlich-rosa Fluoreszenz. Im Gegensatz dazu erscheint normales Hirngewebe blau. Durch diesen starken Kontrast können bei der Operation Tumorgrenzen erkannt werden. Wahrscheinlich werden andere Photosensibilisatoren wie Bremachlorin® noch bessere Ergebnisse bei der FGS liefern. Bremachlorin® sammelt sich in Krebsgewebe in einer Weise an, die vielen anderen Photosensibilisatoren überlegen ist. Dies könnte zu einer noch besseren Darstellung von Tumoren während der Operation führen, jedoch sind sicherlich noch weitere Forschungsarbeiten notwendig, um diesen Anspruch zu untermauern. Außerdem sollte die Bremachlorin-PDT gleichzeitig mit FGS angewandt werden. Diese Kombinationsstrategie erlaubt es dem Arzt, während der Operation genau das zu behandeln, was er sieht – zuerst beim Eingriff, dann bei der PDT. Nachdem der Chirurg den Tumor so weitgehend wie möglich entfernt hat, wird der Bereich mit einer höheren Intensität beleuchtet, damit eventuell verbliebene Restzellen durch die lichtgesteuerte photodynamische Reaktion zerstört werden. Dies kann zu einer besseren Überlebensrate und mehr Lebensqualität für Krebspatienten führen.

Ein leuchtendes Beispiel: Gehirntumor-Chirurgie

Derzeit wird 5-ALA von europäischen Chirurgen bei der Behandlung von Gehirntumoren und verschiedenen anderen Krebsarten als standardmäßiges Mittel verwendet. Eine kürzlich in Deutschland durchgeführte klinische Studie zeigte bei einem Vergleich von FGS mit herkömmlicher Operation eine signifikante Verbesserung der Rate der vollständigen Resektion bei bestimmten Gehirntumoren (65 % gü. 34 %). Chirurgen in aller Welt beginnen zu erkennen, dass eine 5-ALA-geführte Operation die Effektivität der Operation signifikant verbessert und zu einer deutlichen Verbesserung des progressionsfreien Sechsmonats-Überlebens von Patienten mit bösartigen Hirntumoren führt. In einer anderen deutschen Studie verbesserte die Kombination von FGS und intraoperativer Evaluation durch Hochfeld-MRT den Umfang der Gehirntumor-Resektion bei einer bestimmten Hochrisiko-Gruppe signifikant – von 61,7 % auf 100 %! Die Forscher stellten fest, dass unter Anwendung der FGS „der Umfang der Resektion ohne postoperative neurologische Defizite von 57,1 % auf 71,2 % erhöht werden konnte.“ Mit Hilfe der FGS können Chirurgen jetzt Tumoren erkennen, die mindestens 30-mal kleiner sind als die kleinsten, die sie bisher mit Standardtechniken erkennen konnten. Dies ist ein gewaltiger Sprung für die Krebsmedizin. Laut dem Bericht vom 8. August 2013 über FGS in Nature Reviews: Cancer „können die jüngsten Fortschritte [mit FGS] möglicherweise zu einem Paradigmenwechsel in der Krebschirurgie führen, der die Behandlungsergebnisse verbessern und die Gesamtgesundheitskosten verringern kann.“   Unterstützen Sie uns mit dem Kauf unseres Buches

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Quellen

Nguyen QT, Tsien RY. Fluorescence-guided surgery with live molecular navigation – a new cutting edge. Nat Rev Cancer. 2013 Aug 8. [Epub ahead of print] Smith LG, Nakano I. Fluorescence-guided brain tumor surgery. World Neurosurg. 2012;78(6):559-64 Sanai N. Emerging operative strategies in neurosurgical oncology. Curr Opin Neurol. 2012;25(6):756-66.